Wir finden langsam zur Normalität zurück, trotz Nachbeben.

Absolut nicht normal und sehr problematisch ist die indische Wirtschaftsblockade gegen Nepal. Das größte Problem ist der Treibstoffmangel. Inzwischen ist Treibstoff für private Fahrzeuge nicht mehr erhältlich, genauso wie Gas. Wir kochen nun auf elektrischen Herden. Auch das ist problematisch, weil auch Strom nur zeitweise verfügbar ist.

Die Lebensmittelsituation ist derzeit noch schlimmer als nach dem Beben. Die Preise sind enorm gestiegen, z.B. kosten Zwiebeln statt 60-80Rupien inzwischen bis zu 220 Rupien pro kg. Für Benzin und Gas würden hohe Preise bezahlt ( 500 R/l statt 103 R/l, 5.000 R per Gaszylinder statt 1415 R), aber es ist weder Benzin noch Gas erhältlich.

Schulen schließen, weil es keine Busse mehr gibt (die Leute fahren mit dem Rad oder gehen zu Fuß). Auch Banken arbeiten nur zeitweise. In Bezug auf die laufenden Inspektionen durch die Behörden sind wir in einer echten Zwickmühle, da sie Standards verlangen, die wir in dieser schweren Lage nicht mehr erfüllen können. Das alles ist sehr frustrierend.

Am 15. Oktober feiern wir Dashain, unser größtes Fest. Es ist die Zeit, in der wir eigentlich die Götter mit neuen Kleidern, gutem Essen, mit Tänzen und Drachensteigen feiern möchten. In diesem Jahr fürchten wir, dass diese schöne Festzeit traurig und freudlos wird. Wie sollen wir unseren Kindern erklären, dass es in diesem Jahr nichts zu feiern gibt?

Wir hoffen dass es in diesen Tagen die Situation normalisiert und wir doch ein wenig Freude am Feiern finden werden.

Alles Liebe Aruna
Namaste!

Die „Settimana Internazionale della Critica“ zu Gast in Bozen – Filmkunst von der Biennale – 5. Ausgabe – Oktober 2015

„Großes Kino – Filmkunst von der Biennale“ ist ein gemeinsames Projekt der Ämter für audiovisuelle Medien der Landesressorts für Kultur, in Zusammenarbeit mit den Vereinigungen AGIS (Associazione Generale Italiana Spettacolo), ANEC (Associazione Nazionale Esercenti Cinema) und FICE (Federazione Italiana Cinema d’Essai).

Dienstag, 13. Oktober 2015 ab 18.30 Uhr
sind folgende Filme im Programm:

  • TANNA
  • BAGNOLI JUNGLE
  • ANA YURDU
  • BANAT (Il viaggio)
  • LIGHT YEARS

Der Eintritt zu den Filmen der Reihe ist frei.

Inhaltsangabe zum Film KALO POTHI (La gallina nera)

kalo-pothi-cover2001, Nepal. Eine vorübergehende Waffenruhe sorgt für Freude in einem vom Krieg heimgesuchten Dorf. Auch Prakash und Kiran, zwei junge und unzertrennliche Freunde, spüren den Wind der Veränderung. Obwohl sie verschiedenen Gesellschaftsschichten angehören und religiöse Doktrinen sie trennen, bleiben sie stets vereint. Prakash versucht etwas Geld aufzutreiben, indem er die Eier einer Henne, die ihm seine Schwester geschenkt hat, verkauft. Als die Henne jedoch verschwindet, begeben sich die zwei Freunde auf ein Abenteuer, um das Tier wiederzufinden. Die Jungen wissen aber nichts von den Gefahren der Tyrannei, die seit dem brüchigen Waffenstillstand herrscht.

Am Sonntag, 20. September 2015, war es soweit:
Die „Demokratische Bundesrepublik Nepal“ hat endlich eine neue Verfassung.

Acht Jahre lang hat die Verfassunggebende Versammlung am neuen Grundgesetz des Staats gezimmert. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung war einer der Kernpunkte des „Umfassenden Friedensabkommens“ der sieben größten Parteien Nepals vom November 2007 gewesen. Endlose Streitereien zwischen diesen Parteien und zwei Neuwahlen hatten das Verfahren quälend lang verzögert.

Der Parlamentsplatz in Kathmandu nach der Proklamation der neuen Verfassung

Mit der neuen, mit Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedeten Verfassung wird Nepal nicht nur eine föderale Republik, sondern auch ein säkularer Staat. Das Hindu-Königreich Nepal ist damit endgültig Geschichte. „Säkular“ wird dabei verstanden als ein Staat mit Religionsfreiheit, der die seit Sanatan (Menschengedenken) praktizierten Religionen und Kulturen Nepals schützt. Die Armee wird unter zivile Kontrolle gestellt. Nepal hat nun ein parlamentarisches Zwei-Kammern-System, wobei der Präsident vom Parlament gewählt wird. Dagegen hatte es heftigen Widerstand gegeben, weil viele einen starken, direkt gewählten Präsidenten als Stabilitätsfaktor im System gewahrt haben wollten.
Nepal hat sich beim Wahlrecht für ein Verhältniswahlrecht entschieden, was vor allem bisher diskriminierte ethnische, religiöse und soziale Gruppen zur politischen Vertretung verhelfen soll. Dies ist in einem Land mit rund 100 Volksgruppen und Ethnien und seinem immer noch starken Kastenwesen ein großer Durchbruch. Namentlich genannt werden bei den auf den Wahllisten verpflichtend einzuschließenden Gruppen: die Dalits, die Adibasi Janajati (Ureinwohner des Berglands), die Khas Arya (ein Sammelbegriff für das Nepali-sprechende, in viele Kasten aufgeteilte relative Mehrheitsvolk Nepals), die Madhesi (Mehrheitsvolk des Terai), Tharu (Ureinwohner des Terai), Muslime, Frauen und rückständigen Regionen. Bei der Wahl des Repräsentantenhauses gilt keine Sperrklausel, weshalb sich die Parteienlandschaft weiter zersplittern könnte.

Den vielleicht wichtigsten Umbruch im politischen System Nepals wird das neue Föderalsystem bringen. Gegen den heftigen Widerstand der Madhesi-Parteien (Parteien der südlichen Tiefebene des Terai) wird sich Nepal künftig in sieben Provinzen organisieren. Die Madhesi werden dabei in zwei Provinzen zur Minderheit, statt in einer Terai-Provinz die dominante Mehrheit zu bilden. Deshalb haben sie die neue Verfassung abgelehnt, weshalb dieser Unruheherd wohl weiter schwelen wird.
Ein föderales System war für Nepal überfällig, nicht nur um der ethnischen Vielfalt des Landes halbwegs gerecht zu werden, sondern auch um die politische Macht vom Wasserkopf Kathmandu näher zum Volk und zu den Bürgern zu bringen. Das bedeutet freilich, dass politische Macht von den neuen Provinzen auch an die Gemeinden verlagert werden muss, um nicht bloß neue bürokratisch-korrupte Wasserköpfe zu schaffen. Für die Umsetzung dieser Dezentralisierung ist jetzt ein strikter „Operationskalender“ gefordert, ansonsten könnte viel Reformschwung in den Mühlen der alten Politikerkasten verloren gehen.

Interessant auch die in der Verfassung enthaltene Pflicht der Parteien, sich intern mit einer gewählten Führung demokratisch zu organisieren, was vor allem auf die Maoisten abzielt. Zudem müssen die Parteien auf allen Führungsebenen die Vielfalt Nepals widerspiegeln. Damit wird rein ethnischen Parteien ein Riegel vorgeschoben. Keine Verfassung ist perfekt, doch kann Nepal neue Hoffnung schöpfen, wenn diese neue Verfassung umgesetzt wird und wenn sich die politischen Kräfte dieses so arg gebeutelten Landes künftig im Geist der Präambel bewegen, die da lautet:
„Wir, das Volk von Nepal, in Ausübung der souveränen uns zustehenden Macht, beenden die vom feudalen, autokratischen, zentralistischen Einheitsstaat geschaffenen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung, anerkennen die kastenmäßige, sprachliche, kulturelle und geographischen Verschiedenheiten und drücken unseren Willen aus, eine egalitäre Gesellschaft zu schaffen auf der Grundlage der proportionalen Inklusion und Partizipation, um wirtschaftlichen Ausgleich, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.“

Thomas Benedikter
Der Autor hat 2002/03 in Nepal die Hintergründe des zehn Jahre dauernden Maoistenkriegs erforscht („Krieg im Himalaya“, LIT Verlag, 2003), war früher Leiter der Südtiroler Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker und der Bibliothek Kulturen der Welt, war im Vorstand von PRONEPAL tätig und ist seit 2013 hauptamtlich für die Gen. POLITiS für politische Bildung und Forschung tätig.

Mehr über die Südtiroler Solidarität mit Nepal auf www.pronepal.org