Nepal-Reisebericht 2016 von Jakob Frenes
Ich lande um 11 Uhr abends in Kathmandu. Es ist angenehm warm und ich begebe mich als einer der wenigen Touristen zum Check-out um mein einmonatiges Reisevisum zu erhalten. Dieses wird mir nach langem Hin und Her, da ich keine 40 $ in bar besitze, sondern nur eine Kreditkarte, in aller nepalesischen Ruhe und Gemütlichkeit ausgestellt.
Schließlich verlasse ich den rustikalen Flughafen als Letzter, wobei mich bereits zahlreiche Taxifahrer erwarten. Nach einer kurzen Fahrt auf den spärlich bis kaum beleuchteten Straßen der Stadt erreiche ich das Hostel in Thamel. Tagsüber drängen sich an den Straßenrändern dicht an dicht die Händler mit ihren Schnitzereien, Gemälden und Stoffen. In der Nacht leuchten die Bars und Clubs und junge Leute tanzen zur westlichen Musik.
In den ersten Tagen meiner Nepalreise besichtige ich die klassischen Sehenswürdigkeiten in und um Kathmandu. Das sogenannte Kathmandu Valley ist reich an Kultur. Klöster, Tempelanlagen, Stupas und viele weitere heilige Stätten gilt es zu erkunden. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass kaum ein Gebäude vom Erdbeben im April 2015 verschont blieb. Die touristischen Orte sind zwar aufgeräumt, dennoch werden die Tempel oftmals mit langen Holzbalken gestützt und Berge von Ziegeln warten auf ihre Wiederverwendung. Das Ausmaß der Katastrophe zeichnet sich v.a. abseits der Prunkbauten ab.
Besonders in Bhaktapur sind ganze Gebäudekomplexe in sich zusammengefallen. Die Menschen sind heute noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, wobei es grundsätzlich die Frauen sind, welche Hand anlegen und für mich persönlich weitaus tüchtiger sind als ihre Männer.
Von Bhaktapur aus gelange ich mit einem mehr als voll beladenen öffentlichen Kleinbus nach Nagarkot, in der Hoffnung, den Himalaya sehen zu können. Dies bleibt mir jedoch aufgrund des beginnenden Monsuns verwehrt. Trotzdem ist es sehr reizvoll in der eigentlich außertouristischen Reisezeit Nepal kennenzulernen. Da ich meistens allein unterwegs bin, sind die Begegnungen mit den Nepalesen und ihrer Kultur noch intensiver und vertrauter.
Auβerdem ist es mir ein großes Anliegen einen kleinen Beitrag für dieses sehr arme, chaotische, aber einmalige Land zu leisten. Insgesamt arbeite ich fast drei Wochen für zwei verschiedenen Hilfsorganisationen als Volontär. In Mulkharka, einem kleinen Dorf auf einem Berghang im Norden Kathmandus, steht der Rohbau eines Gästehauses der Organisation Phugmoche-Nepal, welches dazu dienen soll, die vom Erdbeben zerstörte Schule in Phugmoche (am Fuße des Everest) zu refinanzieren. Unter der Anleitung der Vorsitzenden Anneliese Dietrich unterstütze ich die jungen nepalesischen Maler bei der Arbeit und versuche gemeinsam mit Pasang, einem liebenswerten Sherpa mit guten Englischkenntnissen, das Haus so gut wie möglich zu reinigen. Aufgrund der nepalesischen Gelassenheit sowie Arbeitsmoral erweist sich das gesamte Projekt als Zerreißprobe. Unzählige Probleme jeglicher Art galt es zu bewältigen und umso größer ist nun die Freude, dass diesen Oktober, trotz aller Schwierigkeiten, die ersten Gäste empfangen werden können. Da ich der bisher erste Volontär in Mulkharka bin, ist es besonders aufregend für eine kurze Zeit am Dorfleben beteiligt zu sein und ein mir fremdes Lebensgefühl zu verspüren.
Eine weitere Woche verbringe ich in der Kevin-Rohan-Memorial-Eco-Foundation südlich von Kathmandu. Die Institution arbeitet an zahlreichen sozialen Projekten um v.a. Nepalesen in Not beizustehen und Lösungen zu finden. Zudem verfügt der Hauptsitz der Organisation über einen großen Gemüsegarten, einer Tomatenplantage, einer kleinen Schmuckhandlung und sogar einer Schule sowie einem Kindergarten. Dadurch werden u.a. auch Arbeitsplätze geschaffen. Des Öfteren beteiligen sich junge, motivierte, freiwillige Helfer verschiedenster Nationen an den diversen Projekten.
Nach den vergangenen Wochen sitze ich erneut im Flieger mit zahlreichen Erfahrungen, Erinnerungen und prägenden Momenten im Gepäck. Nepal ist für mich ein sehr aufregendes und eindrucksvolles Land. Die Mentalität der Nepalesen und ihre Kultur könnte im Vergleich zur europäischen nicht unterschiedlicher sein. Trotz des verheerenden Erdbebens sowie der mangelnden Unterstützung durch den korrupten Staat, sind die Leute größtenteils positiv gestimmt. Sie leben ihr Leben bzw. kämpfen ums Überleben und verlieren dabei nicht ihr Lächeln. Dabei ist zu bedauern, dass aufgrund dieser misslichen Lage viele Jugendliche keine Perspektiven haben und Nepal zumindest vorübergehend verlassen wollen. Einerseits sind bereits Smartphones, Computer und weitere moderne Innovationen vorzufinden und andererseits arbeitet und lebt ein Teil der Bevölkerung in steinzeitähnlichen Verhältnissen.
Während meiner Reise fühlte ich mich nie einer Gefahr ausgesetzt, noch könnte ich behaupten, schlecht behandelt worden zu sein. Die Nepalesen sind grundsätzlich freundlich und wissbegierig, wobei man ihnen mit Geduld und Verständnis entgegenkommen sollte.
Für mich war es mit Sicherheit nicht die letzte Nepalreise, da ich eines Tages zum Wandern/Bergsteigen wiederkommen möchte und um zu sehen, wie sich das Land und seine Leute weiterentwickeln. Ein nepalesisches Sprichwort, welches meines Erachtens auf Nepal selbst zutrifft, besagt:
„Dem Geduldigen laufen die Dinge zu, dem Eiligen laufen sie davon“.
Jakob Frenes